Geblümtes von Einst: „Die Renten sind sicher“

Kramen Sie auch so gern in alten Schachteln, gucken nach Bildern von anno dazumal und lesen Artikel aus alten Zeitungen? Ja, ich auch. Nicht, weil ich glaube, dass „früher alles besser war“, sondern weil ich mich gerne darüber amüsiere, wie z. B. Politiker von Gestern die Entwicklungen ihres eigenen Morgens beurteilten. Das Morgen, das für uns mindestens Heute, manchmal sogar schon Gestern ist.

Der geneigte Leser mag es schon bemerkt haben, es geht wieder einmal um die Rente. 1997, als Kurt Biedenkopf noch Ministerpräsident Sachsens war, hatte man schon massive Ängste vor einem Renten-Engpass. Es war damals keine gute Zeit; die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten hatte ein massives Loch in die Rentenkassen gespült, Deutschland hatte fast fünf Millionen Arbeitslose und weitere Hunderttausende, die um ihren Job fürchteten.

„Man wird stolz sein, auf das, was man geschafft hat.“

Schon damals verstand es die Presse und Oppositionsparteien Ängste zu schüren; die politisch Verantwortlichen stellten sich die Frage, was man tun könne. In der damaligen Bundeshauptstadt Bonn erkannte man das Rentenproblem nicht wirklich: Großmundig versprach man die Halbierung der Arbeitslosigkeit, die Senkung der Lohnnebenkosten und – jetzt bitte nicht Lachen – einen stabilen Euro. Biedenkopf, überbrachte Jahre vorher auf seiner Wahlkampftour seinen potenziellen Wählern schonungslos die Botschaft, dass man bis zu 40 Prozent Arbeitslosigkeit bekommen werde, aber schon fünf Jahre später werde man stolz darauf sein, was man geschafft habe.

Nun, lassen Sie uns diese Kernaussagen einmal zusammenfassen. Die Halbierung der Arbeitslosigkeit hat man geschafft. Zumindest manipuliert man die Zahlen heute so, dass es eben politisch ins Bild passt. Die Senkung der Lohnnebenkosten ging mit der Schaffung des Billiglohnsektors einher (ich will nicht schon wieder an Schröders spätere Äußerung auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos verweisen – das kennen sie ja). Und der Euro ist stabil – zumindest auf seinem Weg in den Abstieg der Weltwährungen.

Grundrente statt beitragsfinanzierte Altersversorgung

Der Untergang der Rente an sich ist nichts Neues. Schon damals gab es Menschen, die auf diese Gefahr hinwiesen. Während der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger damals noch von einer positiven Entwicklung der Rente ausging, rechneten andere Experten das Gegenteil aus. Ein lediger Mann, der 1930 seine Arbeit mit einem durchschnittlichen Verdienst begann und 45 Jahre lang in die Rentenversicherung gezahlt hatte, bekam für jede eingezahlte Mark 2,06 Mark aus der Rentenkasse. Realverzinsung: 4,7 Prozent. Wer ab 1970 Beiträge gezahlt hat und im Jahr 2014 ausscheidet, bekommt für jede Rentenmark nur noch 98 Pfennige.

Das sei eine Entwicklung, die jeder ökonomischen Vernunft widerspreche, sagte Biedenkopf und gebar die Idee der steuerfinanzierten Grundrente. Bürgerrente, so nannte man damals die Idee, die das beitragsfinanzierte System beenden und ein durch Steuererhöhungen finanziertes Rentensystem ersetzen sollte. Die Rentenhöhe würde sich dabei am Volkseinkommen orientieren. Jeder, der mindestens 25 Jahre in Deutschland gelebt hat und älter als 65 ist, sollte eine Grundrente von 1.540 D-Mark (ca. 770 Euro) erhalten. Dass sich diese grundlegend vernünftige Idee nicht durchsetzte war klar. Die Kriegserklärung an Volk und Wirtschaft war das Wort Steuererhöhung!

Übrigens: 1997 sprach Kurt Biedenkopf davon, dass eine Rentenreform heute, also 1997, viel dringlicher sei als vor zwölf Jahren. Das Gleiche hört man auch heute, also 2016, wieder. Schon vor fast 20 Jahren wusste man, dass die Altersarmut in Deutschland spätestens 2030 ein massives Problem werden wird. Das liegt zum Einen an der demoskopischen Entwicklung, zum Anderen an der zunehmenden Zahl von Teilzeitstellen, Arbeitnehmerüberlassungen und damit niedrigen Beitragszahlungen. Aber: Alles kein Problem. Dann wird eben das Renteneintrittsalter erhöht. Momentan diskutiert man über das 70.te Lebensjahr. Im Jahr 2030 dann wohl über das 80.te. Gut, dass auch diese Diskussion eines Tages an einer biologischen Unmöglichkeit scheitert. Nämlich dann, wenn das Renteneintrittsalter erst jenseits der Lebenserwartung liegt.

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